Der stete Kampf um Unabhängigkeit

Als ich am 31. Dezember 2019 meinen Beitrag „Epochenwechsel sind nichts für schwache Nerven“ online stellte, konnte ich mir nicht ausmalen, wie treffend sich dieser Titel im Rückblick erweisen sollte. Wie vielen Astrologen war mir klar, dass im Januar 2020, angezeigt durch die Saturn-Pluto-Konjunktion im Steinbock, ein radikaler Umbruch einsetzen würde. Nach zwei Jahren weltweiter Pandemie und Ausbruch eines Kriegs in Europa mit globalen Konsequenzen steht fest: Was für viele wie eine düstere Prophezeiung à la Maya-Kalender klang, erwies sich als tragfähige, für jede Weltbürgerin und jeden Weltbürger nachvollziehbare Prognose. 

Ich sage dies, da sich gerade das Thema der Vorhersage als besonders heißes Eisen der Astrologie erwiesen hat. Abgesehen vom grundsätzlichen Vorurteil materialistischer Wissenschaftler, es gäbe keinen einzigen Beweis für die Wirksamkeit astrologischer Charakteranalysen, ist gerade die Fähigkeit der Astrologie, Zeitqualitäten aufzuspüren, für viele Rationalisten ein rotes Tuch. Der Hintergrund für diese Ablehnung ist leicht erklärt: Der freie Wille des Menschen, so etwas wie der Glaubenssatz des Anthropozäns, scheint damit in Frage gestellt. 

Ohne diesem Vorwurf an dieser Stelle in aller Ausführlichkeit nachgehen zu können, sei darauf hingewiesen, dass die Entscheidungsfähigkeit des Menschen auch durch solche Umstände eingeschränkt wird, die wohl niemand von uns in Frage stellen würde, seien es soziale oder kulturelle Hintergründe, die finanzielle oder psychologische Situation der Familie, in die ein Mensch hineingeboren wird, oder schlichtweg die sogenannten eigenen Anlagen, die von Materialisten allein mit dem Erbgut erklärt werden. 

Dass nicht nur Menschen, sondern auch ganze Staaten so etwas wie eine astrologische Identität besitzen, haben wir bereits am Beispiel des Libanon, Israels oder Saudi-Arabiens gesehen. Diese in den Bereich der mundanen, d.h. die großen Weltzusammenhänge analysierenden Astrologie fallenden Forschungen gehen von der Annahme aus, dass die Gründung eines Staates der Geburt eines Menschen vergleichbar ist. Im Gegensatz zum menschlichen Leben stellt sich in der politischen Astrologie dabei die Frage, wie der spezifische Geburtszeitpunkt eines Landes festzumachen ist. Das Bespiel der Ukraine, der wir uns heute widmen möchten, macht dies in besonderem Maße deutlich.

Die vielen Geburten der Ukraine

Die Ukraine ist, wie Wladimir Putin so gerne herausstellt, als eigenständiger Staat eine relativ moderne Angelegenheit. Als ältester Geburtszeitpunkt bietet sich die Gründung der Ukrainischen Volksrepublik am 20. November 1917 noch mitten im Ersten Weltkrieg an; allerdings war das damalige Staatsgebiet nicht mit der heutigen Ukraine identisch und sah sich schon in den kommenden Monaten mit drei weiteren Transformationen und Entwicklungen konfrontiert, darunter mit der Unabhängigkeitserklärung von Russland am 22. Januar 1918. Als weiterer astrologischer Geburtszeitpunkt könnte der Beitritt der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik (nun mit den gegenwärtigen Grenzen, allerdings noch ohne die Krim) am 24. Oktober 1945 zu den Vereinten Nationen gelten. 

Ein erstmals in weiten Teilen unabhängiges Land wurde die Ukraine jedoch erst mit der Entscheidung des Parlaments in Kiew, den Staatenverbund der Sowjetunion am 24. August 1991 zu verlassen. Eine Entscheidung, die durch einen Volksentscheid am 1. Dezember 1991 mit 90,3 % der abgegebenen Stimmen offiziell bestätigt und in Folge von allen Teilen der Weltgemeinschaft inklusive Russlands als gültig anerkannt wurde.

Wann also begann aus astrologischer Sicht die heutige Ukraine? Ohne eine allgemeingültige Antwort geben zu können, möchte ich mich im Folgenden auf die zwei zuletzt genannten Daten beschränken, die mit der Wiederherstellung der Ukraine als souveräner Staat im Jahr 1991 zusammenhängen. Aus aktuellem Anlass werde ich jedoch auch die kurzlebige Unabhängigkeitserklärung der Ukraine von Russland im Jahr 1918 berücksichtigen, die die spätere Staatengründung und den gegenwärtigen Konflikt gewissermaßen vorauszunehmen scheint. 

Ein Land auf dem Vulkan

Halten wir uns an die Unabhängigkeitserklärung der Ukraine am 24. August 1991, dem Nationalfeiertag des Landes, so haben wir es bei der Ukraine um einen Staat mit selbstbewusster Löwe-Energie zu tun. Unabhängig davon, ob wir nun die offizielle Verkündung gegen 18 Uhr oder die von der ukrainischen astrologischen AURA Community mit 17:31 Uhr angegebene Uhrzeit verwenden, bildet die Sonne der Ukraine zahlreiche aussagekräftige Aspekte – von gleich vier Konjunktionen zu Venus, Fortuna, Merkur und Jupiter über die Fixstern-Aktivierung des Regulus bis hin zu einem Quadrat zu Toro im Skorpion. Kurzum: Dieses Land ist nicht nur selbstbewusst und genussorientiert, ihm wird auch Geschäftstüchtigkeit, ein glückliches Händchen und der „Sieg über Feinde“ (Sonne-Regulus im 7. Haus nach Uhle) attestiert. Die Konstellation Sonne-Jupiter weißt zudem darauf hin, dass sich die Bürger dieses Landes gegen Einmischungen von außen verwehren und sich durchaus als „geschützt“ wahrnehmen, eine schöne Erklärung für die Dichte von Revolutionen allein in den vergangenen Jahren. 

Das Horoskop der Unabhängigkeitserklärung des ukrainischen Staats durch die Werchowna Rada am 24. August 1991

Ein weiterer Wesenszug dieses Staates (Sonne-MC-Quadrat) scheint mir der unterschwellige Konflikt zwischen Identitätsgefühl und messbarem politischen Erfolg zu sein, wie man ihn in der Hartnäckigkeit der drängenden Probleme des Landes (Korruption, Kontrolle der Massenmedien durch Oligarchen, dauerhafte Angriffe durch Russland) deutlich erkennen kann. Ein doppeltes Quadrat des Aszendenten wie des Deszendenten zur Ceres im 8. Haus, noch dazu im Skorpion, weist darauf hin, dass es so etwas wie ein stabiles Gleichgewicht zwischen dem freiheitsliebenden Image des Landes, den leidenschaftlichen Freund- und Feindschaften sowie der eigenen Abgründigkeit gibt. Oder, um es überspitzt zu sagen: Das Gefühl, auf einem Vulkan zu leben, ist Teil der DNA dieses Gemeinwesens, das fast für die gesamte Dauer seiner Existenz um die politische Eigenständigkeit zu kämpfen hat. Dass der Geburtsherrscher Uranus im 11. Haus nicht nur Weltoffenheit, sondern auch ein dichtes Netz aus Unterstützern zur Folge hat, wird im gegenwärtigen Konflikt wohl mehr als deutlich.

Bis dass der Tod sie scheidet?

Um uns angesichts der schieren Fülle einzelner Eigenschaften auf die für die gegenwärtige Krise der Ukraine wichtigsten Elemente zu konzentrieren, werfen wir einen Blick auf jene Aspekte, die zum Zeitpunkt der russischen Invasion besonders angetriggert wurden. Zum Zeitpunkt des hinterhältigen Angriffs Russlands (12. Haus!) auf sein Nachbarland wirkten gleich zwei Konjunktionen: Das auffällige Stellium aus Mars, Venus und Vesta auf Astreroid Juno und der von diesem Stellium bald eingeholte Pluto auf dem alten Geburtsherrscher der Ukraine, dem düsteren Saturn. Fast geschmacklos mag die Umschreibung für eine solche Juno von Andrea Buchholz wirken, die sie als „Bis dass der Tod uns scheidet!“ umschreibt und als Hinweis auf schicksalshafte, karmische Beziehungen versteht. Der laufende Pluto auf Saturn im 12. Haus, traditionell ein Marker für unklare Strukturen und eine gewisse Halt- bzw. Hilflosigkeit, gewinnt noch mehr an Bedeutung, wenn wir uns die Fixstern-Konjunktion zu Altair ansehen – eine Konstellation, die traditionell mit Leid und Enttäuschung, aber auch mit Unfallgefahr durch einen Hinterhalt in Verbindung gebracht wird. 

Die Transite vom Beginn der russischen Invasion auf dem Horoskop der Ukraine

Ein potentes Gegenmittel für diesen ungünstigen Aspekt deutet ein Sextil zu Eros im 10. Haus im Schützen sowie eine Opposition zum Glückspunkt im 6. Haus an: Durch eigene Initiativkraft und die daraus folgenden Leistung macht das seit jeher um Unabhängigkeit ringende Land ebenso viel Boden wett wie durch das ausgesprochene Selbst- und Sendungsbewusstsein der eigenen staatlichen Institutionen – ein Aspekt, den das Land mit Präsident Selenskyj teilt, der dadurch als geradezu archetypischer Kämpfer für sein Land auftreten kann. Zum Zeitpunkt der Invasion waren übrigens fast alle persönlichen Aspekte der Ukraine durch Spannungsaspekte betroffen: neben der Sonne (durch Ceres), Merkur, Venus und Jupiter (durch Mondknoten) auch Mars (durch Eros) und der MC (durch Sonne und Ceres). Auffällig sind auch die Transite zu den wichtigen sensitiven Punkten Substanz (durch Pluto) und Prozess (durch Sonne und Ceres), die ganz grundsätzlich für intensive Angriffe auf die eigene Identität und Angriffe durch Feinde, die an die Substanz gehen, stehen – aber auch dafür, sich nichts dergleichen gefallen zu lassen.

Unabhängigkeit oder Verlust der Stellung?

Als ich neulich auf Twitter mit dem Hinweis auf die gefahrenvolle Konjunktion von Mars-Venus-Pluto-Vesta im 12. Haus der Ukraine vor einem Angriff mit gesundheitlichen Schäden oder nuklearen Auswirkungen am 3.3.2022 warnte, blieb mir kurz das Herz stehen, als just an diesem Tag Europas größtes Atomkraftwerk unter russischem Beschuss Feuer fing. Auch wenn die Gefahr zunächst gebannt scheint, ist das weitere Schicksal der ukrainischen Kernkraftwerke in Hand der russischen Armee alles andere als geklärt. Hoffnung gibt, dass die vielleicht wichtigsten Elemente des ukrainischen Horoskops – Saturn und Uranus – zum Zeitpunkt der Invasion nur positive Transite erfuhren: ein Uranus-Trigon im Falle des Uranus und ein Ceres-Trigon im Falle des Saturn. Während letzteres den unbändigen Ehrgeiz der Bevölkerung ungemein befördern wird, markiert ersteres eine wahrlich schicksalshafte Zeit: diese sich seit Gründung des Landes zum ersten Mal ereignende Konstellation erlöst von alten Hemmungen und Strukturen und verspricht einer neuen, wahrhaftigeren Unabhängigkeit zum Durchbruch zu verhelfen.

Eine spannende Verbindung der nach Unabhängigkeit strebenden Ukraine von 1918 und 1991 stellen übrigens die Fixsterne Bungula und Deneb Algedi dar. Waren sie zum ersten Zeitpunkt durch den DC (Bungula) und Uranus (Deneb Algedi) markiert, wurden sie nach dem Fall des Eisernen Vorhangs durch Eros (Bungula) und Mond (Deneb Algedi) aktiviert. Beide Fixsterne wurden just zum Zeitpunkt der Invasion durch die russischen Truppen vom bereits besprochenen „Stellium des Ukraine-Kriegs“ getroffen: Vesta, Venus und Mars bildeten ein Halbsextil zu Deneb Algedi und Pluto ein Sextil zu Bungula. Hoffen wir, dass Fixstern-Experte Vivian Robson mit seiner Einschätzung nicht recht behalten wird, der unter Mond mit Deneb Algedi notiert: große Schwierigkeiten überall, Erfolg nach geduldiger Schufterei, aber am Ende Verlust der Stellung.

Das mutige Land im Herzen Osteuropas hat wahrlich ein anderes Schicksal verdient.

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